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Auschwitz

Der Tag ist gekommen. Es geht nach Auschwitz. Es ist Freitagnacht 0.30 Uhr. Wir fahren nach Polen. Nach 8 Stunden Fahrzeit kommen wir um 8.30 Uhr in Oswiecim (Auschwitz) an. Zunächst wissen wir nicht so recht wohin auf dem Gelände, da nichts ausgeschildert ist, also fragen wir uns durch. Beginn unserer Tour ist 9.30 Uhr. Es geht an einem Terminal, wo man gescannt wird und seine mitgebrachten Sachen auspacken muss, vorbei ins eigentliche Lager. Mit Headsets ausgestattet führt uns unser Guide (weiblich) durch das Lager I. Sie spricht gebrochenes Deutsch, ist aber sehr gut zu verstehen. Man könnte denken, sie war dabei, so emotional brachte sie es rüber.

Beginn der Tour ist das berühmte Tor, über dem "Arbeit macht frei" steht. Auschwitz I besteht aus gemauerten, überwiegend 2-stöckigen Gebäuden, welche verschiedene Funktionen hatten. Sei es als "Krankenhaus" in dem Josef Mengele seine Experimente an Menschen durchführte oder als Schlafhäuser für die Gefangenen. In jedem Gebäude, dass wir besichtigen gibt es Geschichten zu erzählen.

Man sagt, in Auschwitz gibt es originale Hinterlassenschaften der Gefangenen. Und es stimmt. Große Räume mit Koffern, Schuhen, Haaren, Essschüsseln, den Prothesen der Invaliden. Alles hinter großen Glasscheiben geschützt. Plötzlich stehe ich in so einem Raum mit den Haaren der Opfer. Fotos machen verboten. Aus Respekt eben. Mir wird ganz anders, als ich das alles mit meinen eigenen Augen sehe. Es wirkt alles plötzlich so real.

 

Weiter geht´s in einen großen Raum. Weiße Wände, an die verschiedenste Videos aus der Zeit projiziert werden. Wir stehen in der Mitte und schauen uns um, als plötzlich ein Kinderchor anfängt zu singen. Alle Wände sind voll damit. Ich stehe da und mir kommt unerwartet ein Tränchen. Der Raum ist recht dunkel und niemand hat´s gesehen. Wir gehen schnell weiter, zum Glück. Dass es doch so emotional wird, hätte ich nicht gedacht.  Auf geht’s zum Gefängnistrackt im Keller. Auch hier sind Fotos untersagt. Vorbei an geschlossenen Zellen mit einer kleinen runden Glasscheibe so groß wie das Auge (zum reingucken), sehen wir auch die 90 cm x 90 cm kleinen Stehbunker, in denen 4 Personen tagelang stehen mussten. Kein Platz zum sitzen, alles aus Beton, alles kalt. Unfassbar!

Zum Schluss folgt die Gaskammer. Mit den noch vorhandenen Öffnungen an der Decke für das Zyklon B, welches zum Vergasen der Gefangenen diente. (hierzu zeige ich Euch kein Bild)

 

Gegen 12.30 Uhr folgt eine längere Pause, da wir in Kürze mit dem Bus in das 3 KM entfernte Auchwitz II Birkenau fahren. Wir stärken uns mit einem kühlen Getränk und einer handgroßen Pizza Calzone.

 

ABFAHRT. Am Bus steht "Auschwitz-Birkenau". Ein bedrückendes Gefühl kommt in mir auf. Wir fahren direkt auf den berühmten Torbogen zu, durch den die Gleise für die Deportationszüge heute noch verlaufen. Mir wird kurz bange.

Dort angekommen bin ich beeindruckt von der Größe des Vernichtungslagers. Man kann gar nicht so weit gucken, so groß ist es. Errichtet für bis zu 100.000 Menschen. Unser Guide macht sich mit uns auf den Weg. Selbstverständlich findet dort alles zu Fuß statt. Wir gehen in die noch erhaltenen Baracken, in denen die Gefangenen zu 6 auf einem Bett schlafen mussten. Eine andere Baracke enthielt die Latrinen (damals sogenannte Toiletten), auf die die Gefangenen gehen mussten. Aus Beton gemauert. (siehe Bilder) Ohne Deckel versteht sich. Andere beauftragte Insassen mussten diese per Hand und einem Eimer regelmäßig entleeren. In ganz Birkenau gibt es kein fließend Wasser. Maximal ein Brunnen mit Pumpe, aus dem zu häufig nur 3 Tropfen kamen.

 

In der Mitte des Lagers hielt meist der Zug mit den Deportierten, wo sie in verschiedene Gruppen sortiert wurden. Heute steht an dieser Stelle ein Waggon aus der damaligen Zeit. Fuhr der Zug bis zum Ende des Lagers durch, warteten links und rechts zwei Krematorien, wo sie gleich in den Tod geschickt wurden. Ich stehe dort und versuche um mich herum im Geiste einen Film abzuspielen. Ist so ´ne Art Tick von mir. Dabei kann man sich nicht mal annähernd ausmalen, wie es war.

 

Viele Meter zurückgelegt kommen wir am hinteren Ende des Lagers an, wo die Krematorien waren und einige noch, aus Resten bestehend,  zu sehen sind. Und eben die sogenannte "Sauna". Die Sauna war das Gebäude, wo sich die neuen Gefangenen ausziehen mussten und Ihnen alles Leben genommen wurde. Verschiedene Räume müssen sie durchlaufen. In einem werden sie mit eiskaltem Wasser "gewaschen". Im nächsten müssen sie sich trocken stehen, auf kaltem Beton und wenn zu viele Neulinge kamen, konnte dies die ganze Nacht dauern. Am Ende bekamen sie Ihre Streifenanzüge an und ihre mitgebrachten Sachen wurden in Dampföfen desinfiziert und für andere Menschen außerhalb bereitgestellt.

 

Nach ca. 6h machen wir uns auf den Rückweg. Unser Guide verabschiedet sich und wir applaudieren dankend und respektvoll. 

 

FAZIT

Ich habe vorab eine 3,5h Tour gebucht und aus irgendwelchen Gründen eine Studientour für 6h bekommen. Nicht einen Moment war es langweilig. So viele Details hat unser Guide uns erzählt, das kommt nicht mal in den besten Dokus vor, hatte ich das Gefühl. 6h können für den ein oder anderen schon belastend und anstrengend sein, dennoch kann ich es nur empfehlen. Das alles zu sehen und zu hören. Ein Manko gibt es: Es ist dort viel zu überlaufen! Eine Führung jagt die nächste, selten ist man allein in einem Raum.

Auschwitz gilt als größtes Konzentrationslager der Welt und ist definitiv eine Reise wert.

 

Zitat: "Ihr einziges Verbrechen: Sie wurden als Juden geboren"

 

Shocking Facts:

- Dorf Brzezinka (Birkenau) wurde nach der Umsiedlung der Bevölkerung komplett abgerissen und durch Baracken ersetzt

- Birkenau galt als Vernichtungslager

- Birkenau umfasst eine Größe von 1,7 Quadratkilometern und wurde für bis zu 100.000 Menschen errichtet

- 1,3 Mio. Menschen wurden dorthin deportiert, 1,1 Mio. Menschen sterben

- ca 4.500 SS Angehörige arbeiteten dort

- weniger als 15% der SS - Leute wurde danach bestraft

- das Auschwitz- Areal gehört seit 1979 zum UNESCO Weltkulturerbe

- tägl. Besucherzahlen: 5.000 bis zu 15.000

 

Fun Facts:

- Ausgaben pro Person (zu zweit reisend) mit allem drum und dran: 115€

- Hotel: 17€ p.P

- Führung: 22€ p.P.

- Sprit: 50€ p.P

- Maut: 8€

- Ausgaben für Lebensmittel: 15€ p.P.

- gefahrene Kilometer insg.: 1430

- gelaufene Distanz im Lager: 8 KM / 15500 Schritte


BILDERGALERIE

*alle Bilder per Klick vergrößerbar


Beginn der Führung. Unser Guide erklärt uns den Aufbau des Lagers.


Zyklon B.


Die Koffer der Gefangenen


Kinderschuh


Gebäude in Auschwitz I


Bilder der Gefangenen mit Namen, Einlieferungsdatum und Todestag


Klinik von Josef Mengele, in der er überwiegend grausame Experimente an Kindern durchführte.



Bildschirme mit Zitaten und Videoaufnahmen aus der NS-Zeit


Ein riesengroßes Buch mit 4.000.000 Namen der Holocaust-Opfer.


Shuttle-Bus zwischen Auschwitz I und Auschwitz II. Komisches Gefühl, da einzusteigen.


Die zuvor erwähnten Latrinen, die von Häftlingen per Hand und Eimer entleert werden mussten.


Waggon in Birkenau, an der Stelle, wo sie in Gruppen sortiert wurden.


Endstation. Fuhr der Zug bis zum Ende des Vernichtungslagers, warteten hier auf die armen Seelen 2 Krematorien links und rechts.


Urlaubs- und Familienbilder der Juden. Niemand weiß bis heute, wo diese herkommen. Laut Erzählungen kam ein Mann mit einem Koffer und stellte diesen mit den Bildern als Inhalt vor dem KZ ab.


Der angsteinflößende Torbogen samt Gleise in Auschwitz II Birkenau. Man kennt ihn aus Filmen und Reportagen.


Eine Baracke mit Betten. In der Mitte sieht man noch einen betonierten Heizofen, den die Gefangegen beheizen durften, wenn sie denn Material dafür hatten...


Panorama am Eingang in Birkenau


Unser Guide zeigt uns die niedergebrannten Krematorien.


Originale Dokumente


Julius Meir Tauber

 

"Ich war 16 Jahre alt. Mein Bruder und ich waren 2 von 400 Jungen, wartend auf den Tod. Wir hielten einander unsere Hände so stark, wie nie zuvor. Plötzlich kam unser Großvater. Ihn schickte der Himmel. Er nahm mich und meinen Bruder von der Todeslinie. Wegen ihm bin ich heute noch hier. Seine letzten Worte zu uns waren: Lasst einander niemals allein, nicht einmal für 1 Minute. Bleibt immer zusammen!!!" So haben wir Auschwitz überlebt.

 

Interview 2017, Brooklyn

91 Jahre alt

3 Kinder

19 Enkelkinder

80 Urenkel

 


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Kommentare: 4
  • #1

    Ines (Mittwoch, 11 September 2019 06:43)

    Danke für deinen Bericht . Dies darf nie vergessen werden . So etwas muss im Unterricht weiter behandelt werden

  • #2

    Ahni (Mittwoch, 11 September 2019 07:59)

    Danke Ines für deinen Kommentar. Ja sollte es...

  • #3

    Timo (Mittwoch, 13 November 2019 20:44)

    Sehr gelungener Blogeintrag! Da kriegt man wirklich Gänsehaut, wenn man den Text liest. Und die Fotos dazu geben einem den Rest. Wirklich sehr gut! Ich finde es gut, die Menschheit auch außerhalb vom schulischen Pflichtprogramm an die traurige und dunkle deutsche Geschichte zu erinnern. Denn nur wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert ist dazu verdammt sie zu wiederholen!

  • #4

    Ahni (Mittwoch, 13 November 2019 21:47)

    Hey Timo! Vielen Dank für deine lieben Worte! Das freut mich sehr. Dein letzter Satz ist zudem noch sehr prägend.